Mittwoch, 16. Dezember 2015

From Dusk Till Dawn

Die dunkle Göttin tanzt. Das haut um. Wie sie das macht, mit oder ohne Schlange, es ist, es bleibt: Atemberaubend. Sensationell. Sexy. Aber so was von sexy. Und so was von verdammt bissig. Santanica Pandemonium, gespielt von der schönen, begnadeten, biegsamen, beeindruckenden, immer noch schönen Selma Hayek, ist in From Dusk till Dawn der absolute Hingucker.schaebigNoch erotischer kann’s schwer werden. Muss es auch nicht, soll es auch nicht. Nach Santanicas spektakulär heißem Auftritt im „Titty Twister“, Treffpunkt für Rocker, Trucker und Todgeweihte, geht es nur noch krass, temporeich und blutig zur Sache. „Eine der besten filmischen Grotesken,“ lobt Filmstarts.de.
Da gilt es nicht als allzu dick aufgetragen, wenn es an anderer nennenswerter Stelle heißt:
„Mit bizarren Masken und krassen Tricks erinnern die Szenen in der Vampir-Bar an die Höllenvisionen eines Hieronymus Bosch.“ (Cinema)
Stirnrunzelnd und leicht empört, freilich eher amüsiert hingegen darf man zur Kenntnis nehmen, wie das Meisterstück mit Horror-Show-Status der Nomen-est-Omen-Macher Robert Rodriguez (Regie), Quentin Tarantino (Drehbuch) und Robert Kurztman (Story) eben auch betrachtet wird:
„Ein äußerst blutiger Spuk, der den Kultstatus seiner Macher festigen soll, sie jedoch als zynische Handwerker entlarvt, die die Geschichte den mannigfaltigen Effekten opfern.“ (Lexikon des Internationalen Films)
From Dusk Till Dawn kam 1996 auf die Leinwand, wurde im gleichen Jahr als Bester Horrorfilm mit dem Saturn Award ausgezeichnet und zog zwei nicht vergleichbare Fortsetzungen (Direct-to-Video-Filme) nach sich, – 1999 Texas Blood Money und 2000 The Hangman’s Daughter -, bei denen Rodriguez und Tarantino freilich nur noch als Produzenten agierten. 2014 startete in den Staaten eine gleichnamige Serie in starker Anlehnung an die Vorgabe und unter der vertrauten Federführung von Rodriguez, die im Oktober dieses Jahres um eine dritte Staffel verlängert wurde. Im deutschsprachigen Raum ist sie über Netflix abrufbar.
georgeFrom Dusk Till Dawn , das eine, das gute, für uns immer noch wahre Original, – Uncut gucken! -, beginnt als knallender Roadmovie, wird zur fetzigen Vampir-Schauermär, gipfelt in einer burlesken Schlachtorgie und endet als geniale Splattershow mit gut tiefschwarzem Humor. Wenn zum Schluss die Blutsauger bei Tagesanbruch am Titty Twister zerplatzen und der mexikanische Bandenchef Carlos beim Anblick des Spektakels irritiert fragt: „Waren das da drin Irre?“ …dann ist die Antwort von George Clooney (Seth im Film) immer wieder treffend köstlich:
„Haben die wie Irre ausgesehen? Das waren Vampire. Irre explodieren nicht, wenn das Sonnenlicht sie trifft. Ganz egal, wie irre die sind!“
selmatitZur Story für den (Ernst-)Fall, dass jemand nicht mehr so ganz genau weiß, was warum und wie abgeht: Die Brüder Gecko sind Gangster schwersten Kalibers. Der coole Seth (George Clooney) und der psychopatische Richard (Quentin Tarantino) pflastern ihren Fluchtweg nach Mexiko mit drei frischen Leichen, bevor sie den Geistlichen Jacob Fuller (Harvey Keitel), dessen Tochter Kate (Juliette Lewis) und Sohn Scott (Ernest Liu) als Geiseln nehmen und in deren Wohnmobil unentdeckt den Grenzübergang schaffen. Treffpunkt für Seth und Richard mit dem mexikanischen Bandenboss Carlos, der ihnen für ein fettes Honorar Asyl verschaffen soll, ist das einsam gelegene, aber mehr als gut besuchte „Titty Twister“ , das von der Abenddämmerung an bis zum Morgengrauen (From Dusk Till Dawn) geöffnet ist. Da Carlos erst in einigen Stunden erwartet wird, will man sich in der von zwielichtigen Typen und mordsmäßig gut aussehenden Frauen wimmelnden Bar die Zeit bei laszivem Table-Dance, harten Drinks und flotten Sprüchen vertreiben.
tarantAber es kommt anders, Türsteher, Barkeeper, Rausschmeisser legen sich mit Seth an, einer rammt Richard ein Messer in die eh‘ schon verletzte Hand, und die umwerfende Santanica verwandelt sich nach ihrem Auftritt in eine furchterregende Bestie, die, von Richards Blut heiß gemacht, ihre Zähne in dessen Hals schlägt. Attacke-Signal für alle Anwesenden von ihrer Sorte, und davon gibt’s reichlich. Die Truppe, eh schon gebeutelt, macht Grausiges durch. Wahnsinn wütet in der Bar. Chaos, Vampire überall, einer scheußlicher als der andere. Alles noch nie erlebt. Und kein Profi in Sicht, der sich so wirklich hilfreich auskennt:
„Hat irgendjemand ein richtiges Buch über Vampire gelesen oder erinnern wir uns nur an ein paar schlechte Filme? Ich meine, ein wissenschaftliches Buch…“ (Seth)
Seth tötet widerwillig, aber einsichtig seinen gebissenen Bruder, zwei Verbündete, der Vietnam-Veteran Frost und der Latino Sex Machine, kämpfen, pfählen, köpfen tapfer mit, kommen aber um wie auch Jakob Fuller und Sohn Scott, die sich beide zuvor noch gemeinsam mit Seth und Kate in einem Lagerraum verschanzen konnten. Zumindest findet der seit dem Tod seiner Frau an Gott zweifelnde Geistliche im tapferen Gefecht gegen die Bestien seinen Glauben wieder, schafft es deshalb sogar, „echtes“ Weihwasser zu machen ; damit hilft er Seth und seiner Tochter Kate, den tatsächlich einzigen Überlebenden der Schauernacht.
Sarkastisch gestichelt wird trotzdem:
„Gott liebt es, das Messer rein zu stechen und die Klinge abzubrechen.“ (Filmzitat)
Die Rettung für Seth und Kate kommt in wahrlich letzter Sekunde: Beide stehen in der Mitte der Bar, eingekesselt von ihren blutrünstigen Angreifern, umflattert von Fledermäusen, die sich in Vampire verwandeln, da geht die Sonne auf und dringt durch die Schusslöcher in den Wänden. Den Rest erledigen Carlos und seine Männer. Die Tür wird aufgeschossen, die Vampirmeute zerknallt, zerfällt, verbrennt komplett. Und Ende. Das Schlusswort sei dem schönen Seth alias George Clooney gegönnt, der mitFrom Dusk Till Dawn den endgültigen Durchbruch in Hollywood schaffte.

„Hört zu! Hört mir alle gut zu! Ich weiß, ich hab euch durch die Hölle geschickt! Und ich war ein verdammt fieses Schwein! Aber von jetzt an steht ihr alle in meinem Buch der coolen Leute!“ (Filmzitat)
copyright by Karin Reddemann
erschienen unter www.phantastikon.de 

Sonntag, 13. Dezember 2015

Phantastikon: Die 25 besten Fantasy-Werke

Liebe Freunde der Phantastischen Literatur!
Hier haben wir nun ein neues Element, das uns ab 1016 ernsthaft beschäftigen wird: Listen und Abstimmungen.  Das ist in der Tat ein langfristiger Prozeß und erfordert ebenfalls die Bereitschaft der Leser, sich daran überhaupt zu beteiligen. Wir beginnen mit der (provisorischen) Liste der 25 besten Fantasy-Werke. Wie kommt diese zustande? Zu Beginn haben wir die Liste der (angenommenen) besten Werke der Fantasy, die die Meinung von Millionen Lesern weltweit repräsentiert. Ziel des ganzen war, Fantasy aus allen Bereichen des Genres aufzuführen, ob es sich dabei nun um Kultbücher, die Lieblinge der Literaturkritik, um Bestseller oder Klassiker handelt.
Es ist nun einfach für alle, eine Wertung abzugeben, die das augenblickliche Ranking selbstverständlich im Laufe der Zeit verändern wird. Hierzu werden regelmäßige Updates folgen. Auch – und das ist fast noch wichtiger als das Voting selbst – ist es möglich, Bücher (und/oder Serien) hinzuzufügen, denn es dürfte klar sein, daß 25 eine sehr geringe Zahl ist und die Lesehaltung hierzulande eine ganz andere sein dürfte als, sagen wir mal, in England.
Diese Liste ist die erste. Es werden weitere folgen – und dann werden Unterkategorien wie „Urban Fantasy“ etc. nicht mehr fehlen. Selbstverständlich wollen wir uns auch die unterschiedlichsten Spielarten des Horrors als Liste vornehmen. Wir werden sehen, wie weit wir kommen. Nach wie vor gilt: sollte jemand eine Rezension eines der Bücher auf der Liste schreiben wollen, darf er sich bei uns gerne über das Kontaktformularmelden, denn gerade was Rezensionen betrifft, sind wir nicht so gut bestückt, wie wir das gerne hätten.
Liste/weitere Infos unter: www.phantastikon.de

Dienstag, 8. Dezember 2015

Tanz der Vampire


Der Löwe brüllte (einmal!) anders. Noch während flatternde Fledermäuse zu unheilvollem musikalischen Säuseln den Mond verfinstern, verwandelt sich der weltberühmte Dschungel-König beim traditionellen MGM-Vorspann in einen Vampir. Blutrot ist die Leinwand, der erste Gag schleicht sich vorwitzig ins Bild: Ein „Dr. Ludwig von Krankheit“ habe die fangs (Vampirzähne) gemacht. Aha. Soso…und Bühne frei. Ein Schlitten saust durch die tief verschneiten Karpaten. An Bord: Ein schrulliger Professor und sein leicht trotteliger Assistent. Im Kopf: Bram Stokers mahnende Gebote. Im Sinn: Dracula & Co. finden, fangen und vernichten. Dafür begibt man sich aufs transsylvanische Parkett zum, – Tusch an dieser Stelle! -, Tanz der Vampire.
polans2Roman Polanskis legendärer Balanceakt (im Original: Dance of the Vampires) zwischen Parodie und Horror kam 1967 in den USA unter dem zusätzlichen Filmtitel  The Fearless Vampire Killers or Pardon Me, But Your Teeth are in my Neckin die Kinos, um nicht den Eindruck zu erwecken, es handle sich um einen richtig bösen Gruselschocker. Das Komödiantische zu betonen galt natürlich der optimalen Vermarktung, man wollte auch ein Publikum locken, das nicht so arg fixiert auf Schweißperlen, Zusammenzucken, Gänsehaut und Angst-Schreie steht. Soll’s ja geben. Die Rechnung ging allemal auf, finster-fideler Esprit entzückte, der Globus tanzte.
Regisseur Polanski, der gemeinsam mit Gérard Brach auch das Drehbuch geschrieben hat, war im Himmel. Für begnadet gute Leute wie ihn hieß der zumindest für die folgenden sauberen Jahre Hollywood; 1968 drehte er seinen Weltspitze-Horrorklassiker Rosemaries Baby, unlängst im Phantastikon vorgestellt, 1974 folgte, – mit Brillanz, Spannung und Jack Nicholson nebst Faye Dunaway gut bepackt -, der Oscar-prämierte Kriminal-ReißerChinatown. Den Weg frei gemacht für die extra großen Sprünge, die es noch zu absolvieren galt, hatte ihm freilich seine augenzwinkernde Verneigung vor dem Fürsten der Dunkelheit, ein genial parodistischer Ausflug ins Schauer-Metier, herrlich witzig und klug gemacht, atmosphärisch gut dunkeldicht, ein Unikat, das immer wieder aus seiner Vitrine geholt, entstaubt und bestaunt werden darf. Deutschlandpremiere „der besten Großproduktion des kleinen Polen“ (Goldenes Kino, Cinema), die in nur knapp fünf Monaten, hauptsächlich in den Dolomiten, gedreht wurde, war am 1. Dezember 1967, sechs Jahre später wurde Tanz der Vampire erstmalig im Fernsehen (ZDF) gezeigt. Da waren einige von uns schon munter.
„Die Klischees und Handlungsmuster des Vampir-Genres werden zu einer amüsanten Persiflage genutzt, in der makabre Schocks durch liebevolle Typenkomik ausbalanciert werden. Eine Hommage an das alte Horror-Kino und seine Effekte, zugleich eine Satire auf die tragikomischen Bemühungen bürgerlich-aufklärerischer Biedermänner im Kampf mit einer buchstäblich blutsaugerischen Aristokratie.“(Lexikon des Internationalen Films)
So kann man das stehen lassen. Die vielen kleinen Perlen an der Kette darf man auch zählen. Da ist der Hammer, mit dem Alfred (Roman Polanski) ordentlich zu pfählen versucht, der aber auf dem Daumen des Professors (Jack MacGrowan) landet. Da ist Alfreds unfreiwilliges Schäferstündchen mit Grafensohn Herbert (köstlich schön: Iain Quarrier), seinem lüsternen Verehrer; da ist der köstliche Jagdruf, mit dem der Graf seine Vampire scheucht. „Die Zähne gewetzt und ihnen nach.“
Da ist ein überhaupt durchweg großartiger Polanski, der nicht nur „ein Feuerwerk an umwerfender Situationskomik und mitternächtlichem Grusel, dem die stimmungsvolle Musik von Komeda gekonnt nachhilft,(…)“ (Lexikon „Filme im Fernsehen) präsentiert, sondern gleichwohl einen Alfred gibt, der rührend linkisch ist.
„Er tapst und hopst mit roten Wangen hinter den vielen unheimlichen Geschehnissen her und findet ständig erfrorene oder erstarrte Menschenwesen.“ (Rebhandl, Berliner Zeitung)
Das klingt richtig herzlich. Das klingt jetzt mal nach mehr. Also zurück zum MGM-Löwen, zurück ins 19. Jahrhundert, – Polanski entführt detailgetreu in diese Zeit -, und geradewegs in die Karpaten: Professor Abronsius, Hauptfach Vampirismus, als „alter Spinner“ von seinen Kollegen verspöttelt und gefeuert wegen seiner verwegenen Theorien, reist nach dem Verlust seines Lehrstuhls an der Universität von Königsberg mit Assistent Alfred (gespielt von Polanski) in die Südkarpaten, um Beweise zu finden. Erste Indizien: Koblauchgirlanden in einem Dorfgasthaus. Jede Menge Kerzen. Die kauft der unheimliche, bucklige Koukol im Gasthof für seinen Herrn. Abronsius wähnt ein typisches Blutsauger-Nest, ergo, ein Schloss in der Nähe, von dem niemand etwas gehört haben will, das aber (natürlich!) existiert. Es gehört dem dekadenten Grafen von Krolock (Ferdie Mayne), der die hübsche Wirtstochter Sarah (Sharon Tate, Polanskis Ehefrau, die 1969 von der Manson-Familie ermordet wurde) im Badezuber packt, beißt und entführt, beobachtet von einem völlig verstörten Alfred, der sich in die Schönheit verguckt hat.
Sarahs Vater Yoyneh geht die Tochter in der Nacht bei Eisekälte suchen, wird erfroren aufgefunden und von Abronsius untersucht, der recht freudig die Bissmale am Hals entdeckt. Theorie bestätigt. Sein wissenschaftlicher Rat, dem nur scheinbar Toten umgehend einen Holzpflock durchs Herz zu jagen, sonst würde der Wirt als Vampir wieder aufstehen, wird empört von der ungläubigen Witwe abgelehnt. In der Nacht liegen Abronsius und Alfred auf der Lauer, Yoyneh, wie erwartet, taucht auf, wird von den beiden wild durch den Weinkeller gejagt, kann entschlüpfen und beißt rasch noch die sexy Magd, seine alte Bettgespielin, bevor er Richtung Schloss verschwindet, dicht gefolgt von Abronsius und Alfred auf Skiern. Sie kommen heil an, fliegen zwar auf, werden aber vom Grafen Krolock in aller Höflichkeit als Gäste behandelt. So verbringen sie dort die Nacht und warten auf das Morgengrauen, Abronsius zufrieden, Alfred panisch, um die Särge Krolocks und seines schwulen Dandy- Sohnes Herbert  aufzuspüren und den dort tagsüber schlafenden Vampiren den Garaus zu machen. Das klappt nicht wie geplant, es wird alles herrlich hektisch; irgendwann bleibt der Professor in einem Fenster an der Gruft stecken, der schlotternde Albert muss allein ans Werk, kriegt das nicht hin, will zuerst einmal Abronsius befreien, vergisst den aber kurzfristig, weil er Sarah beim Baden in einem der Gästezimmer entdeckt, die ihm von einem Ball am Abend erzählt. Abronsius, mittlerweile fast erfroren, fällt ihm wieder ein. Er schafft es, ihn hinaus zu ziehen, freilich fällt dabei der Koffer mit allen Vampirbekämpfung-Instrumenten vom Dach und taucht ab im verschneiten transsylvanischen Dickicht. Bitter genug, aber Alfred hat andere Sorgen: polans3Er liebt nun mal Sarah, macht sich schlau in dem Buch „100 Wege sich ins Herz einer Jungfrau zu schmeicheln“ (A Hundred Goodlie ways of Avowing one’s Sweet Love to a Comlie Damozel) und wird dabei vom blonden Beau Herbert überrascht, der seine Zuneigung zeigt, indem er Alfred beißen will. Die langen Zähne landen im Buch, – grandios gute Szene -, Alfred macht sich davon, Herbert rennt hinterher. Von einem Söller aus beobachten der entkommene Alfred und der Professor, wie etliche Vampire aus ihren Gräbern auf dem Schlossfriedhof steigen, die zum Ball geladen sind. Graf Kolock stöbert sie auf, bleibt gelassen und schwärmt davon, wie nett und geistreich sie vier , – er selbst, der Gebildete, Abronsius, der Gelehrte, Herbert, der Gelackte, und Alfred, der Genervte -, die nächsten Jahrhunderte bei Kerzenschein mit Blut im Glas verbringen würden. Dann sperrt er sie ein, es beginnt der ultimative, der legendäre Tanz der Vampire.
Abronsius und Alfred befreien sich, überwältigen zwei Gäste, ziehen sich deren Ballgarderobe an, spüren Sarah auf und tanzen sich unauffällig an allen vorbei, um irgendwie unbeobachtet aus dem Saal zu kommen. Das funktioniert eben nicht, ein riesiger Spiegel enttarnt sie, – definitiv echte Vampire sehen sich darin ja nicht -, der Tumult ist groß, sie fliehen, alle jagen hinterher. Geschafft und doch nicht: Zu in diesem Fall unguter Letzt sitzen Abronsius, beruhigt dösend, Alfred, selig lächelnd, und Sarah, süß schlafend (oho!), im ins Tal fahrenden Schlitten, das junge Glück auf der Hinterbank liebevoll umschlungen. Und dann küsst das erwachende Dornröschen den Hals ihres Prinzen. Der sich zuvor noch wundert, wie kalt das zarte Händchen ist. Polanski lässt unheilvoll orakeln:
„In jener Nacht auf der Flucht aus den Südkarpaten wusste Professor Abronsius noch nicht, dass er das Böse, das er für immer zu vernichten hoffte, mit sich schleppte. Mit seiner Hilfe konnte es sich endlich über die ganze Welt ausbreiten.“

polans4Kein Happy-End. Da seufzt der Zuschauer. Immer noch. Um die beiden Helden tut’s einem so richtig brav leid. So ein bisschen wie Don Quichotte und Sancho Pansa kämpfen sie, leidenschaftlich, überzeugt und durchaus tapfer, und scheitern doch an ihren eigenen bissigen Windmühlen. Irgendwie fiebert man mit diesem so liebenswerten Gespann Abronsius/Alfred, auch, wenn man weiß, dass man ja weiß, was man als Genre-Freund sowieso wissen muss. Daumendrücken nützt meist gar nix. Punkt. Abronsius ist kein Van Helsing, und Polanski ist keiner, der ein zufriedenes Aufatmen braucht nach einer geistreich gedachten Story.
1997 hatte das Musical Tanz der Vampire, gleichsam unter Polanskis Regie, Premiere am Wiener Raimundtheater; seitdem wird es durchweg an verschiedenen Theatern im deutschsprachigen Raum aufgeführt. Während die meisten internationalen Produktionen des Musicals Erfolge erziel(t)en, war die extra für den Broadway gemachte Neuversion des Musicals mit nur 117 Vorstellungen (darunter 61 Previews) eine Pleite und gilt als katastrophalster Flop der Broadwaygeschichte. Gut ist eben nicht genug, wenn’s besser geht. Gilt immer.
copyright by Karin Reddemann
erschienen unter www.phantastikon.de

Kühle Freunde

Die beiden kenne ich schon lange. Liegen unter Steinplatten und kommen manchmal raus. Das dürften sie vermutlich nicht, aber ich bin da nicht so streng. Freue mich über Besuch, auch nachts, wenn ich grundsätzlich schlafen sollte. Hätte vermutlich gesündere Träume ohne sie. Habe sie auf dem alten Friedhof am Lichttor kennen gelernt. Kunibert und Elisabeth von Tretzow. Sie eine geborene Strahlka. Sympathisches Paar. Riecht leicht. Ich mag aber Moder, rümpfe die Nase nicht so schnell.
Meine Stadt hat vier davon. Tore. Wilhelmstor. Schatztor. Viehtor. Mein Lichttor, wo die alten Gräber sind. Merkwürdig, habe mir nie Gedanken darüber gemacht. Sind vermutlich Souvenirs aus dem Mittelalter. Irgendwo am Wilhelmstor, wo jetzt die Feuerwache ist, direkt vor dem Amtsgericht, wurden die Hexen verbrannt. Das weiß ich von Großvater Ebsche, der hat’s mir erzählt, als sei er dabei gewesen. „Die haben hier gern gefackelt.“
Habe später mal im Archiv gestöbert. 147 Frauen, 33 Männer. Einige wenige darunter, deren Familien Geld genug hatten, um die Henker zu bestechen. Die wurden heimlich erwürgt, bevor das Feuer sie fraß. Anständig, so was.
Den Frauen wurden wohl oft gern erst die Knochen gebrochen, bevor die Wächter sich in sie steckten. Haben das so konkret nicht mitbekommen, denke ich mal, waren ja bereits fast tot. Die letzte, die auf dem Scheiterhaufen landete, war Agnes Sophie Gellert, 1706, Giftmischerin. Erst mit dem Schwert sauber durchtrennt, dann verbrannt. Besser so. Als Zaubersche anständig verurteilt nach blutigem Kitzel, der sie vermutlich mürbe gemacht hatte, wurde auch Else von Tretzow, die Großmutter von Agnes. Bestand die lästige Wasserprobe nicht. Ihr Strick wurde zu kurz gehalten, pfiffig gedacht, hätte gar nicht untergehen können.
Elses Bruder, Barthold von Tretzow, war zu der Zeit Bürgermeister. Hatte wohl keine Lust, Schwesterchen weiterhin lieb zu haben. Heiratete Trine, Pitters in Sypens Tochter, die ihm Arnold und Gertrud überließ, bevor Dorothea in ihrem Bauch den Sensenmann für Mutter und Tochter holte. Heiratete pünktlich noch mal, Noele zur Boie, aber die war ihm wohl nicht geheuer. Ließ ihre Daumen quetschen, ließ sie schnüren und strecken, entlohnte aber den Henker freundlich, der ihr den Hals zudrückte. Heiratete ein drittes Mal, Mechelt, Wilhelm Cordts Witwe, deren Großmutter Katharina die Branntweinprobe nicht bekommen war.
Glückliche Käthe. Brauchte den Wärtern nicht den zertrümmerten Hintern entgegen halten, musste nicht ins Feuer sehen. Auch Mechelt entkam den Flammen. Barthold schätzte ihre aufmüpfige Art nicht, das hat mir Kunibert verraten.
engelDer Gute. Steht nachts an meinem Bett und umarmt seine Betti. Flüstert mir zu, wie das Wilhelmstor schreit, kann keine Ruhe finden, die Steinplatten lassen das tote alte Weinen durch. Sie weinen alle. Die Maybaum, Heinrich Breradts Frau. Die Rittbroiksche, die Stippel, Drostens Schwiegertochter Enneken. Die Schwestern Figge und Drude Homesch, die alte Tellsche, Stine in der Siepen, Strocklings Mutter. Lyse, die Haensesche. Und Mechelts Schwester Jutta Polte, die Barthold sich wohl nicht hat verkneifen können.
Jutta vögelte mit dem Teufel in Tiergestalt und verkaufte Hexensalben. Gott verleugnete sie bereits nach der dritten Folter, das freute Barthold, weil es flott ging. Er zahlte kein Geld für das Hexenweib, sollte sie brennen, Schwert und Strick ersparte er sich. Mechelt heulte. Sie heult wohl immer noch, irgendwo da draußen. Kunibert und Betti können sie hören. Wenn ich mich anstrenge, kann ich es vielleicht auch.
Morgen früh gehe ich an der Gruft meiner Freunde vorbei und bringe zwei Rosen. Atme die Erde und warte auf die Nacht.
copyright by Karin Reddemann
erschienen unter www.phantastikon.de

Der Tod steht ihr gut

Dieser Film ist bitterböse. Wer jetzt protestiert, Der Tod steht ihr gut sei nicht mehr als eine makabre Posse, – genial zwar, aber prinzipiell harmlos -, hat sich keine Gedanken gemacht. Und stellt sich das alles auch nicht vernünftig vor: Wie das wohl wäre, zu wissen, dass man, irgendwo in finsterer Ecke gefangen gehalten, bei vollem Bewusstsein verschimmeln würde, weil man nicht gnädig sterben kann. Niemals sterben wird. Egal, wie man aussieht oder ob man nicht lieber aussteigen möchte aus dem unendlichen Schlamassel.
kopfhochWie sich das wohl anfühlen würde, sämtliche Knochen und Gelenke wie Gummi verbiegen und verdrehen zu können, weil man grundsätzlich lebendig tot und nicht kaputt zu kriegen ist. Und was einem wohl durch den Sinn ginge, wenn nur noch der vom Körper gelöste Kopf haltlos durch die Gegend kugeln würde.
Fragt man sich dann, ob sich vielleicht jemand Abgehärtetes findet, der nicht schreiend das Weite sucht, sondern mitleidvoll hilft? Vielleicht mit einer frischen Leiche, auf deren Hals man geklebt werden könnte. Oder stellt man sich vor, wie der Kopf zertreten, überfahren, zermatscht wird und man trotzdem noch als undefinierbarer Klumpen weiterdenken muss?
Der Tod steht ihr gut (Originaltitel: Death Becomes Her, Regie: Robert Zemeckis) aus dem Jahr 1992 ist eine brillante, rabenschwarze Komödie mit drei phantastischen Hauptdarstellern: Meryl Streep, Goldie Hawn und Bruce Willis. Die starke Besetzung macht aus der Geschichte über weibliche Unersättlichkeit nach währender Jugend und Schönheit eine herrliche Nummer: Großes Entertainment, Garantie für Lachtränen, am Ende ein ewiger Alptraum und der moralische Zeigefinger mit Augenzwinkern. Köstlich. Trotzdem (s.o.) bitterböse. Wenn eben auch auf diese verdammt sympathische Art.
kopfrunterKlar ist das witzig, wenn Madeline (Meryl Streep) nach einem üblicherweise tödlichen Hammer-Treppensturz völlig verrenkt wieder aufsteht, sich gerade ruckt und biegt und sich keineswegs darüber wundert, dass so was funktioniert. Oder wie ihre Rivalin Helen (Goldie Hawn), nachdem Madeline auf sie geschossen hat, mit einem riesigen Loch im Bauch ins Wohnzimmer kommt und sich über ihre unschöne Entstellung beschwert.
Der Tod steht ihr gut sei „reines Comicbuch-Kino“ und dabei ein „Feuerwerk der surrealen Effekte und der genialen Einfälle“, lobt edm Film. Wird unterstrichen. Auch, dass ein Plot geboten würde,
„…wie man ihn sich waghalsiger kaum vorstellen könnte, drei Schauspieler, die chargieren müssen, was das Zeug hält (alle drei waren nie besser aufgehoben); und eine Inszenierung, die lustvoll und hemmungslos übersteigert, übertreibt und überzieht“. (edm Film)
deathgood2Die Story, wohl bekannt, immer wieder gern: Der biedere Schönheitschirurg Ernest ist mit der braven Helen verlobt, verguckt sich aber in deren attraktive Freundin Madeline und heiratet diese. Die gedemütigte Helen wird zur Frustfresserin, Madeline, zickig und versnobt, langweilt sich nach siebenjähriger Ehe mit dem farblosen Ernest und quält sich zudem, weil ihr Aussehen deutlich nachlässt. Beide Frauen kaufen bei der geheimnisvollen Lisle (Isabella Rosselini) ein Zauberelixier, das aus ihnen Prachtweiber macht. Erzfeindinnen sind sie immer noch, zanken und prügeln sich, anfangs um Ernest, den sie aber beide letztendlich brauchen, damit er sie repariert. Ergo werden sie Verbündete, wohl wissend, dass ihre Unsterblichkeit sie nicht vor optischen Übeln bewahrt.
Arzt Ernest soll immer für sie da sein, um Hand anlegen zu können, will aber das Elixier nicht trinken, sondern normal und in Würde altern und sterben. Das schafft er trotz großer Empörung der Ladies auch. Er entkommt, heiratet erneut. 37 Jahre später stirbt er, Madeline und Helene, die wie zwei scheußliche Schrecktanten aussehen, besuchen die Trauerfeier, giften herum und stürzen beide beim Verlassen der Kirche die Treppe hinunter. Die Körper zerbrechen wie Porzellanpuppen, zurück bleiben zwei immer noch keifende Köpfe. Ende.

Und dann? Habe ich nicht mehr gelacht, sondern schlecht geträumt. Was wäre, wenn…? Gut, das hatten wir ja schon. Bitterböse. Eben.
copyright by Karin Reddemann
erschienen unter www.phantastikon.de

Samstag, 5. Dezember 2015

Mörderinnen von Nagyrev

Dies ist die unglaubliche Geschichte der 50 Frauen aus Nagyrév, die über 300 Menschen ermordeten. Tatmotive: Wut, Überdruss, Enttäuschung. Langeweile. Sex. Richtig. Hier und da wohl auch Verzweiflung. Kaltschnäuzigkeit allemal. Mangel an Respekt vor dem Leben des anderen in jedem Fall. Die Frauen mordeten, als würden sie sich in einem makabren Wettbewerb befinden. Eine von ihnen war Juliane Libke. Sie tötete ihre Stiefmutter, Tante, Schwägerin, ihren Bruder und zu Weihnachten ihren Mann. Und noch einige Familienmitglieder, die ihr lästig waren. Derart geübt bot sie der unzufriedenen Nachbarin Maria Koteles gern ihre Hilfe an. Auf der Anklagebank senkte Juliane, laut Gerichtsprotokoll „stämmig und ungestalt, mit bösestem Gesichtsausdruck“, etwas kleinlaut das Haupt, zuckte vermutlich ratlos mit den Achseln und erklärte schlicht:
„Mir tat die arme Frau halt leid, also gab ich ihr ein Fläschchen mit Gift und sagte, dass sie das nehmen soll, wenn in ihrer Ehe nichts anderes mehr nützt.“
In Nagyrév, diesem kleinen Ort etwa 60 Meilen südöstlich von Budapest am Fluß Tisza, nützte ziemlich schnell und ziemlich oft rein gar nichts anderes mehr. Da waren Rosalie Sebestyen, Rosa Hoyba und Maria Varga, alle drei nicht nicht wirklich gut verheiratet, alle drei missgelaunt. Da waren all die anderen, die sich über ihre von der Front zurückkehrenden Männer nicht freuten. Und denen der Nachbar, der Onkel, Gemüsehändler oder die ehemals beste Freundin ein Dorn im Auge war. Es gab so viele, die störten. Das konnte man ändern, so geschah es denn auch damals in Nagyrév. Das war so üblich kurz nach Ausbruch des 1. Weltkriegs, so ging das fünfzehn Jahre.
1914: Die Männer wurden eingezogen, die Frauen wollten nicht warten. Da war es praktisch, dass vor der kleinen ungarischen Ortschaft ein Kriegsgefangenenlager errichtet wurde. Neugierig geworden, interessiert sowieso, schloss man Freundschaft mit den Insassen. Und tauschte sich aus und liebäugelte und machte noch ein bisschen mehr. Im Dorf fand ein neues, wohl prickelndes Spiel statt: Wer bunkert sich die meisten Gefangenen für Tisch und Bett? Die Frauen waren ehrgeizig und eifrig dabei. Ihnen und ihren Liebhabern, – zwei oder drei mussten es schon sein -, ging’s dabei rundum passabel, das sollte sich so schnell nicht ändern. Von den Männer, die vorzeitig, – einige schon nach wenigen Monaten -, und später dann nach Beendigung des furchtbaren Krieges zurückkehrten, wurden die wenigsten mit alter Liebe ins Herz geschlossen. Sie waren überflüssig, sie waren unangenehm, unliebsam, sie mussten wieder weg.
Nagyrev-Prozess-4Die Hebamme Júlia Fazekas, – einzige medizinische Fachkraft vor Ort -, wusste auch genau, wie das geschehen sollte. Sie kochte Fliegenfänger aus, um daraus Arsen zu gewinnen. So einfach war das. So definitiv tödlich. Die
Frauen aus Nagyrév kauften ohne Scham, ohne Reue bei ihr ein. Allen war natürlich klar, was passieren würde hinter der verschlossenen Tür von Zcuzsanna, Lydia, Marie und einer gewissen Bukenoveski, die ihrer alten Mutter Arsen unter das Essen mischte und anschließend die Leiche in den Fluss warf. Richtig stolz soll sie vor Gericht ihr Geschick beim Vergiften betont haben, weil man bei der Bergung der Mutter ganz trivial Tod durch Ertrinken festgestellt hatte.
Die hohe Todesrate in der ungarischen Region brachten zwar Untersuchungen der Behörden mit sich, die verliefen aber vorerst dezent im Sande, weil alle Todesfälle durch gültige Sterbeurkunden belegt waren. Von Gift keine Rede. Natürlich. Trotzdem hätte man stutzig werden können. Die Urkunden hatte ausnahmslos die Cousine der Hebamme ausgestellt, befugt war sie aber nicht allein.
Immer nur die eine Unterschrift, so was ist auffällig, da kann man nachhaken. Oder es sein lassen wie in Nagyrév geschehen. Dort wurde aufgeatmet und weiter gemordet. Bis 1929. Da geschah es, dass eine Frau Ladislaus Szabo einem Mann, der ihr nicht passte, vergifteten Wein anbot. Der ahnte aber was, man hatte es mehr als munkeln hören; er trank vernünftigerweise nicht und zeigte sie an. Die Aufgeflogene wollte nicht allein am Pranger stehen, beschuldigte die Freundin, die eine andere, die wiederum die Hebamme und ihre Helferin, die alles leugneten. Júlia Fazekas und 37 weitere Frauen aus dem Dorf wurden letztendlich festgenommen. 28 kamen vor Gericht in Szolnok, acht wurden zum Tod durch Erhängen verurteilt, sieben zu lebenslanger Haftstrafe, der Rest wanderte für viele Jahre hinter Gitter. Die Hebamme entging der Hinrichtung, sie schluckte vor Prozessbeginn ihr eigenes Gift. Ihre Schuld war eh‘ bewiesen, in ihrem Haus hatte man zahlreiche Töpfe mit ausgekochten Fliegenfängern gefunden.
NagyrevmordeUnter den zum Tode Verurteilten waren auch Juliane Lipke, deren Nachbarin Maria Varga, Mörderin ihres blinden Ehemannes, einem Kriegshelden, nebst ihres Geliebten, und die 45jährige Marie Kardos, die ihren Ehemann und ihren Liebhaber umgebracht hatte, bevor sie auch ihren Sohn vergiftete. Der habe in seinem Bett noch unter Krämpfen für sie gesungen, erzählte sie dem Gericht mit tränennassem Gesicht:
„Ich sagte: «Sing, mein Junge, sing mein Lieblingslied!» Da sang er mit seiner geliebten Stimme, schrie plötzlich auf, fasste sich an den Bauch, schrie, schnappte nach Luft und war tot.“
Hieb- und stichfest beweisen konnte man am Ende nur 45 Morde. Das Gericht freilich ging von über 300 Menschen aus, die tatsächlich gewaltsam aus dem Weg geräumt worden sind, darunter eben nicht nur Ehemänner, Verlobte und uninteressant gewordene Liebhaber, sondern alle, mit denen man nichts mehr zu schaffen haben wollte. Aus irgendeinem Grund, egal, Hemmschwellen, Moral, Mitgefühl gab es irgendwann nicht mehr. Nach der Exekution ließ man die Leichen der Frauen als Warnung am Galgen hängen, bis sie verfault waren. Widerlich genug. Abschreckend genug? Wer weiß das.
Gruseliges Rätselraten verbleibt allemal: Wie entsteht solch ein fürchterlicher Boom? Wie muss man gestrickt sein, um da mitzumachen? Vergiften als Zeitvertreib und gleichsam als Konfliktlösung, das klingt nach kollektivem Wahnsinn. Kollektive Gleichgültigkeit? Gut, kann man sich antrainieren. Kollektive Lust? Schwer, das zu begreifen. Zu guter Letzt töteten die Frauen sich auch untereinander, ehemals Vertraute, Verbündete griffen zum Gift, wenn irgendwas, irgendwer lästig war. Zu krank. Zu roh. Zu unsympathisch. Oder einfach nur langweilig. Die „Angel Maker of Nagyrév“definierten da keine Unterschiede, sie waren sich einig in einem Punkt: Was weg muss, kommt weg. Rigoros.

Guter Basisstoff für Autoren und Filmemacher? Wohl eher nicht. Für eine rabenschwarze Komödie gibt es zu viele unschuldige Tote, zu viel Kälte, Hoffnungslosigkeit, Dummheit im Ganzen. Für ein Drama fehlen Einzelschicksale, die auf eine spezielle Art zumindest ansatzweise berühren könnten, Hintergründe und Abgründe, die wichtig wären, um überhaupt etwas Sinn in die ganze Sache zu bringen. Und am Ende blieben doch nur Kopfschütteln und Gänsehaut zurück. Viel zu wenig für eine Geschichte, die selbst viel zu tot ist, um lebendig erzählt werden zu können. Wenn’s jemand packt: Respekt. Vielleicht auch besser nicht.
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Scream Queens

halloween-1978-01Milliarden Fliegen können sich nicht irren.“ Millionen Zuschauer aber auch nicht. Da wären einerseits ein Riesenhaufen Pferdemist, im speziellen Fall, – Protest sei akzeptiert -, ist Halloween – Die Nacht des Grauens gemeint, und andererseits ein weltweiter Kinokassenknüller und Sofa-TV-Knaller. Heißt? Genauso. Halloween. Korrekt soweit. Widerspricht sich eh nur bedingt. Denn wenn auch der Genre-Klassiker von 1978 inhaltlich zweifellos hier und da und dort sowieso schwächelt und Tiefgang geschickt vermeidet, um hübsch garstig auf Fliegenfang (Zitat oben: Lexikon des Horrorfilms, 1989) zu gehen, so zählt das herzlich wenig, wenn die Krone erst mal auf dem Kopf sitzt. Halloween, eine Low-Budget-Regie-Arbeit von John Carpenter, ist absolut Kult und gilt als Vorreiter zahlreicher Klischees, die immer wieder gern in den typischen Slasher-Filmen der 1980er und 90er mal nackt übernommen, leicht umgeändert und noch etwas fieser ausgebaut wurden.
Das unbedingte Muss dabei: Der Schrei. In Halloween wurde geschrien. Danach und bis heute und übermorgen immer wieder. Laut. Lang. Hoch. Schrill. Kreischend. Grell. Gellend. Gut. Genial. Man schrie. Sie schrie. Den Anfang machte Jamie Lee Curtis. Sie schrie sich ganz nach oben. Sie war, – und blieb -, die Scream-Queen.
Diese königliche Gattung Mensch/Frau im Horrorfilm-Genre behauptete sich in der Folgezeit als superbes Schockmittel, um verschreckte Zuschauer noch tiefer in ihre Kinostühle und Sofakissen zu drücken. Die Courage sinkt, dafür steigt der Blutdruck. Schlimmste Schreie sind einfach nur phantastisch, weil sie fürchterlich gut schlimm sind. Männer schaffen das durchaus auch, aber Frauen schreien zweifellos besser, die schreien, wie Schreie klingen müssen, um sich direkt ins Hirn zu bohren und die Nerven zu zerbeissen. Stimmt? Stimmt.
Bewiesen haben das eindrucksvoll und nachhaltig nachhallend Neve Campbell (Scream), Adrienne King (Freitag, der 13.), Heather Langenkamp (Freddy Krueger – A Nightmare on Elm Street), Jennifer Love Hewitt und Sarah Michelle Gellar (Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast), Barbara Crampton (Castle Freak), Patricia Tallmann (Armee der Finsternis), Linnea Quichley (Verdammt, die Zombies kommen), Adrienne Barbeau (Das Ding aus dem Sumpf), Rebecca Gayheart (Düstere Legenden), Nancy Allan (Blow Out), Naomi Watts (King Kong, The Ring) und Jamie Lee Curtis (Halloween, The Fog). Eben.
bodyleeDer Scream-Queen Curtis, Tochter von Janet Leigh und Tony Curtis, später auchThe Body genannt, – wer Perfect (1985) gesehen hat, weiß, warum -, bescherte der Sensations-Erfolg von Halloween – Die Nacht des Grauens nach dem Kinostart 1978 eine Flut an Angeboten für ähnlich angelegte Rollen. Er gab ihr zugleich die Bühne frei für eine Weltkarriere, sie spielte bis dato in überwiegend anders gelagert starken Filmen (z.B. Ein Fisch namens Wanda, True Lies…), übernahm aber auch weiterhin den Part der Laurie Strode in den drei Fortsetzungen um den psychopatischen Killer Michael Myers (1981: Halloween – Das Grauen kehrt zurück, 1998: Halloween H20: Twenty Years Later, 2002: Halloween: Resurrection). 57 ist sie jetzt, sieht Klasse aus und kriegt das mit Sicherheit immer noch optimal hin.
Die erste Frau, die Augen und Mund derart weit aufriss, dass das Knochenmark bis ins nächste Jahrhundert hinein kochte, war Jamie Lee Curtis freilich nicht. Schon im Stummfilm schrie die von Furcht, Abscheu und Angst gepeinigte Heldin. Das hörte man (natürlich) nicht, das sah man, und das war fürwahr im Regelfall dramatisch. Die Bedrängte, Gejagte, Bedrohte, blass geschminkt mit dunklen Lippen und großen Puppenaugen, die Frisur künstlerisch zerzaust, das Kleid dezent zerrissen, war eine Meisterin der Pantomime.
Licht aus, Spot an, wir befinden uns im Wald, Keller, in Gasse, Gosse, Schmutz oder Luxus, egal. Eine begehrenswerte Frau. Hilflos. Logisch. Daneben, davor, dahinter, ein Mann oder Monster, auch relativ egal. Sie fuchtelt tänzelnd mit den Händen, zieht an ihren Haaren, öffnet den Mund. Leicht. Der Pianomann neben der Leinwand schlägt gefährlich flüsternde Töne an. Sie wirft den Kopf zurück, in den Nacken, zur Seite, der Körper bebt, zittert, sie öffnet mehr. Vom Mund. Der Pianomann bearbeitet die düsteren Tasten. Sie schwankt hin und her und lässt in Augen blicken, von denen man glaubt, noch runder, erstaunter, entsetzter können die nicht werden. Der Pianomann im schwarzen Anzug gibt alles. Die Musik lebt. Sie ist Angst. Die Akteurin öffnet die Lippen ganz weit. Schrecklich gut weit. Voilá. Der Schrei, die Schreie. Das Publikum im Panoptikum zuckt zusammen, ballt verkrampft die Fäuste, wischt sich den Schweiß von der Stirn, atmet nicht mehr, kaum, dann tief durch, nickt sich gequält und doch so verwirrend begeistert zu: Oh Gott und Teufel auch noch, da schreit eine Frau. Eine schreiende Frau in fürchterlicher Not. Welch großartige Tragödie. Welch großartiger Film.
So war das, so geht das eben auch. Trotzdem erfreulicherweise erfand man für das Kino den Ton. Und der bereitete einigen Schauspielerinnen, bis dato echte Stars ohne für die damalige Zeit nennenswerte Darstellungs-Probleme, ernstzunehmende Kopfschmerzen: Sie konnten nicht so schreien, wie es erwartet und verlangt wurde. Das war Pech. Kurzfristig aber nur bedingt. Pfiffig erfand man in Hollywood den Beruf der „Schreierinnen“. Diese hielten ihre Stimme für die kläglich an eben dieser gescheiterten Schauspielerinnen her. Das geschah meist live im Studio, in späteren Jahren synchronisierten sie unterstützend auch die betreffenden Szenen. Die Schreie wurden bereits in den 1930er Jahren aufgepeppt durch sich weiter entwickelnde Technik. Dazu passende Geräusche dienten zur Untermalung der Flucht vor dem Bösen, die zumindest für die Hauptdarstellerin im Regelfall nicht in einer Blutlache endete. So richtig Paroli bot sie ihrem Verfolger nicht: Sie wurde gehetzt, gejagt, fast geschnappt, schrie sich durch die Kulissen und hoffte auf ihren Retter. Der kam. Gutaussehend. Stark. Schlau. Ein Mann. Der Mann. Er war in den ersten Jahrzehnten des Films bis in die 1990er üblicherweise zur Stelle und machte das schon, weil die Frau schreiend floh und fliehend schrie und ergo nicht groß Zeit zum Nachdenken und wirklich clever reagieren hatte. Wenn die Situation denn so war. Blieb sie ja nicht. Apropos: Weglaufen klappte auch nicht immer. Wer erst mal auf einer Affenhand sitzt…
kongDer US-amerikanischen Film-Schönheit Fay Wray bescherte ihr mordmäßiger Ton in King Kong einen Auftritt, wie er sich für die erste wahre Scream-Queen gehörte: Sie stieß 1933 als „weiße Frau“ bei ihrer Begegnung mit dem legendären Urwald-Riesen wirklich markerschütternd schreckliche Schreie aus, typisch weiblich hoch, höchst vernehmlich und höchst gekonnt. Das gilt als legendär. In den Folgejahren wurde startklar für Stimmstärke, möglichst perfekt und nach bestem Wissen und Gewissen passioniert geschrien. Das ist wohl tatsächlich eine Kunst für sich, in Fachkreisen schwört man: Das kann nicht jede(r). So nennt Lloyd Kaufmann, Mitgründer der „Troma Entertainment“, die Rollen von Schauspielerinnen, die laut Drehbuch so richtig schreien müssen, sollen, dürfen, „vielfältig und anspruchsvoll“.
Die wunderbar wunderschöne Naomi Watts sagt dazu: „In The Ring undMulholland Drive musste ich auch schon exzessiv schreien. Ich bin anscheinend ein Naturtalent. Als ich in Australien auf einem Junket (Interviewtag) für The Ring war, hat mich ein Filmteam gebeten, für deren TV-Show zu schreien. Also habe ich meinen Schrei auf dem Hotelbalkon demonstriert, und die Glastür ist geborsten. (…) Schreien kann furchtbar anstrengend sein, ich habe beim Dreh einige Male meine Stimme verloren.“ ( TV-Spielfilm, 2005)
Den (inoffiziellen) Titel einer ersten männlichen „Scream Queen“ erhielt der Schauspieler Marc Patton 2010 für seine Rolle als Jesse Walsh in Nightmare II – Die Rache. Ehrlich verdient hat sich den aber vor allem Bruce Campbell: In Tanz der Teufel und Armee der Finsternis durfte er derart ungeniert und ungehemmt kreischen und schreien, dass die große Katze nur wohlwollend nicken kann: Gut gebrüllt, Löwe…aber eben doch nichts gegen mich!
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Rosemary's Baby

baby4Lullaby. Schlummerlied für ein Baby. Es hat gelbe Augen und hübsche Hände, Klauen zwar, „aber sie sind ganz klein, wie Perlen. Die Handschuhchen hat er nur an, damit er sich nicht kratzt – nicht, weil seine Hände hässlich wären.“ Rosemary lächelt. Und summt: Lullaby. Schlummerlied für ihr Baby. Satans Sohn.
Das klingt fürchterlich gut vertraut. Das istRosemary’s Baby, genial geschrieben von Ira Levin, veröffentlicht 1967, ein Jahr darauf ebenso genial auf die Leinwand gebracht von Roman Polanski. Das Lied wurde eigens für den Film komponiert von Krzyystof Komeda, es singt die junge, zarte, süße Mia Farrow, der die Titelrolle in einem großartigen und vor allem zeitlos guten Reißer mit phantastischen Horror- und Thrillereffekten den Durchbruch in Hollywood brachte.
Klappe fällt, Kamera läuft und zeigt, wohin die finstere Gasse führt. Ins Unheil. Stimmt im Regelfall. In der Verfilmung des Romans steuert der Zuschauer direkt aus Manhattans sattem Leben pur ein dunkles herrschaftliches Gebäude an, Ende des neunzehnten Jahrhunderts erbaut, ein geheimnisvolles, von der Zeit gezeichnetes Original inmitten von unverbrauchten Wolkenkratzern, deren Geschichten noch geschrieben werden müssten. Wenn jemand sie irgendwann mal erzählt, wie es Broadway-Autor Ira Levin (1929 – 2007) für das Bramford-Haus (im Buch/Film) alias Dakota-Building an der Ecke 72nd Street und Central Park West in New York getan hat: Es wurde zum Schauplatz einer weltberühmten Schauermär, die satanischen Celluloid-Schockern wie Der Exorzist (1973) undDas Omen (1976) die Düster-Bühne freigab.
baby3Die Beschwörung des Bösen im trügerisch selbstverständlichen, seine Ordnung behaltenden Alltag der Großstädter findet irgendwo unter „uns“ statt, hier hinter den Mauern eines prachtvollen Renaissance-Baus mit all seinen verborgenen oder gar bereits entdeckten Geheimnissen, grundsätzlich nicht außergewöhnlich für alte Häuser, aber eben doch normal und rationell fassbar. Dass das im Bramford-Apartementhaus ungut anders abläuft, wird sowohl dem Leser als auch dem Zuschauer relativ schnell klar. Die Grundstory ist gekonnt simpel, selbstredend verräterisch: Junges Ehepaar, Guy und Rosemary Wodhouse, zieht ein, fühlt sich wohl, kommt in Kontakt mit den Nachbarn, sie will ein Baby, wird schwanger. Klingt nach Heil und Glück, ist aber tatsächlich blanker Horror. Der kleidet sich zivil zurecht gemacht, er nistet nicht im gespenstischen Nebel über Friedhöfen und Kellergewölben, das Geisterschloss des klassischen Horror-Genres ist ein Mietshaus in Manhattan, die Bewohner sehen aus wie Gerda und Karl von nebenan mit ihren ureigenen Marotten, sind aber Satanisten auf der Suche nach ihren neuen Herrn und Meister. Den soll Rosemary auf die (noch!) gottesfürchtige Erde bringen, die einfach nur das Pech hat, zufällig präsent zu sein. Denn einzig zählt: „Irgend jemand. Irgend jemand! Sie muss nur jung, gesund und keine Jungfrau mehr sein. Sie muss keine süchtige Hure aus der Gosse sein, die zu nichts taugt.“
Das diabolische Verschwörungskomplott, dem Rosemary Woodhouse (Mia Farrow) zuerst noch unwissend, dann mehr und mehr ahnend ausgesetzt ist, das sie fast um den Verstand bringt und dem sie sich letztendlich beugt, die Situation akzeptiert, ihre Mutterrolle annimmt und damit auch ihrem Glauben abschwört, wird meisterhaft von Irvin erzählt. Roman Polanski hielt sich sehr genau an die Romanvorlage, und insofern stimmt auch wirklich alles: Das Ambiente, den Flair, die Atmosphäre liest, spürt, sieht, fühlt, erfährt man, das kommt tatsächlich so herüber, wie die Lektüre es vorzeichnet, um ausgemalt zu werden. Bevorzugte Farben: Schwarz-Grau-Weiß. Natürlich. Rot wird nur gedacht als gewisperter Name eines Albtraums, der die Bedrohung um eine realistische Ecke kommen lässt, die sich in einem gegenwärtigen Manhattan, nicht in einem mittelalterlichen Dorf befindet. Der Schrecken spielt sich direkt vor der Nase ab, – könnte er zumindest -, das macht das Ganze so beklemmend. Immer noch sehr zeitgemäß formuliert steht im Rowohlt-Filmlexikon: „Roman Polanskis raffinierte Filmsatire spielt effektvoll mit traditionellem Aberglauben und Wahnvorstellungen sowie modernen Formen von Hexenjagd, Psychoanalyse und Horrorliteratur. Ein exzellentes Kinovergnügen.“ Dem ist nicht zu widersprechen.
Der „Evangelische Filmbeobachter“, der erstaunlich ehrlich wohlwollend kritisiert(e), nennt den Film „brillant gefertigten Horror abergläubischen Einschlags“, sagt weiter: Die Geschichte ist offensichtlich durch die biblischen Berichte von der Jungfrauengeburt inspiriert, doch lässt sie sich nicht kurzerhand als Lästerung abstempeln.“
baby5Rosemary’s Baby war für den zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 35jährigen polnischen Regisseur, der sich zuvor bereits mit dem Psycho-Horror-ThrillerEkel (1965) und der persiflierenden Blutsauger-Hommage Tanz der Vampire(1967) einen wohlverdienten Platz in der Hollywood-Garde gesichert hatte, sein triumphaler Box-Office-Hit bei der Paramount. Ein Riesenerfolg und ein gleichwohl riesiger Dorn im Auge der Kirche: Teufelsanbetung und Huldigung, eine befleckte, durch Vergewaltigung entstandene Empfängnis, die Geburt des Satanskindes als Krönung menschlicher Begierde und Hoffnung auf eine neue, höllische Ära, eine unverdorbene junge Frau, die sich, wie Maria, dazu entschließt, einen Sohn groß zu ziehen, dessen Vater definitiv nicht der eigene Ehemann ist…das galt als schwer verdaulich, das entsetzte und empörte vor allem amerikanische Glaubenskreise. Vom National Catholic Office for Motion Pictures(NCOMP) wurde der Film wegen „Perversion fundamentaler christlicher Glaubensvorstellungen“ und „Verhöhnung religiöser Persönlichkeiten und Gebräuche“ mit dem Prädikat C für Condemned (Missbilligt) versehen. Das interessierte freilich die überragenden Begeisterten nicht, reizte zusätzlich noch: Rosemary’s Baby wurde ein Kinomagnet, ein absoluter Kassenerfolg, und erhielt etliche Auszeichnungen. Der Oscar für die beste Nebenrolle ging an die begnadete Ruth Gordon; sie gab die Minnie, Ehefrau des Satanisten Roman Castavet, und wie sie das nur vorgetäuscht harmlose, entzückend nervig hilfsbereite, neugierige Hausmütterchen spielt, dessen Seele tatsächlich so wunderbar schwarz ist, verdient(e) wahrhaftig Respekt.
Der gebührt zweifelsfrei auch dem Prachtbau in der 72nd Street Nähe Central Park, – klingt ja nun wahrlich herrlich -, dem Dakota-Bulding mit seinem tatsächlichen Who-is-who? an Bewohnern: Die Schauspieler Boris Karloff, Judy Garland, José Ferrer und Lauren Bacall, Witwe von Humphrey Bogart, wohnten dort, ferner der Schriftsteller Charles Henri Ford, der Boxer Mills Lane, der Komponist Leonard Bernstein, der Musiker Sting, der Tänzer Rudolf Nurjew. „Beatles“ John Lennon wurde 1980 vor dem Eingang des Dakota ermordet, seine Frau Yoko Ono lebt dort immer noch. 1978 erschoss der Oscar-Preisträger Gig Young („Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß“, 1969) zuerst seine Frau und danach sich selbst in seiner Wohnung im Dakota.
Ira Levin, übrigens auch Verfasser von „Die Frauen von Stepford“ (zwei Verfilmungen, 1975 und 2004) quartiert im umbenannten Haus, in dem etliche Szenen des Films gedreht wurden, illustre Horror-Mieter wie die dem Kannibalismus frönenden Trench-Schwestern ein. Dass diese zwei Damen aus der viktorianischen Zeit mit Vorliebe für Kinderfleisch und Hexenmeister Adrian Marcato (tatsächlich der Vater von Roman Castavet) nebst weiteren dunklen Gestalten und etlicheny Selbstmördern dort gelebt und gewirkt haben, erzählt Hutch im Buch/Film, ein guter alter Freund von Rosemary und Guy: „Im Laufe der Jahre passierte im Bramford mehr als genug an hässlichen und widerlichen Geschichten. Und nicht alle in der fernen Vergangenheit. 1959 fand man ein totes Kind, in Zeitungen gewickelt, im Keller.“
Hutch rät dringend von dem Einzug ab und muss letztendlich als Mann, der zu viel wusste, sterben. Das Bramford-Haus als gruseliger Tatort für noch Bevorstehendes ist damit definitiv eröffnet, zu spät für Rosemary, dass Hutch ihr vor seinem plötzlichen Tod noch ein aufschlussreiches Buch zukommen lässt, dass ihren schlimmsten Verdacht besiegelt: Sie trägt den Sohn Satans aus, sie weiß, was das bedeutet, nimmt sich vor, ihn zu töten. Entscheidet um. Schließt ihn in ihr Herz. Und Amen vor umgedrehtem Kreuze. „»Komm, Andy«, sagte sie. »Lach einmal! Komm, Andy-Candy.«
Der Japaner glitt mit seiner Kamera nach vorn und machte in rascher Folge ein paar Aufnahmen.“
Und Rosemary summte. Lullaby. Ein Lächeln für die Welt.
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