
Die Fliege (The Fly) ist eine Novelle des britisch-französischen Schriftstellers und Journalisten George Langelaan (1908 – 1972), die 1957 im Playboy erschien und zweimal in zeitlichem Abstand von achtundzwanzig Jahren verfilmt wurde. Die Story von dem Wissenschaftler, der Bahnbrechendes (eine Teleportationsmaschine) erfindet und bei seinem Selbstversuch an einem kleinen Insekt in der „Beam“-Kabine scheitert, dessen DNS mit seiner verschmilzt, ist großartig gedacht und gemacht. Da schwächelt nichts, das liest sich elegant runter und seilt sich atemlos an den Nerven wieder hoch, um den Nachschub zu erwischen: Gang zurück, Die andere Hand, Sturz ins Vergessen …gesammelt erschienen in Die Fliege und andere (seiner) Erzählungen. Da werden böse Gedanken wahr. Auf bissig-trockene, beinahe kühle und atmosphärisch erschreckend-schöne Art. Wer so was kann, ist einfach nur gut.
«Es ist unmöglich, von Langelaans Geschichten nicht auf die intelligenteste Weise angegruselt zu sein. Er treibt mit dem Entsetzen Spiel, und er treibt mit dem Entsetzen Spott. Virtuos handhabt er das Makabre.» (Die Welt)
Besser sagen kann man’s wohl nicht. Es entbehrt tatsächlich bei aller gegebenen Ernsthaftigkeit nicht eines gewissen, eines besonderen Humors, wenn Langelaan schreibt:
„Befanden Sie sich je in der Lage, einem schläfrigen Polizisten klarmachen zu müssen, dass Ihre Schwägerin Ihnen soeben angezeigt hat, Sie habe Ihren Bruder mit Hilfe eines Preßlufthammers umgebracht?“


Bei eklig freilich sind alle sich einig. Repräsentativ sträuben sich Science Fiction Gold (Dennis Saleh, 1979) die Nackenhaare: „Die Fliege ist vielleicht der widerlichste aller Insekten-SF-Filme.“
Das blieb Die Fliege auch als Remake (1986, Regie: David Cronenberg): Zum Schütteln. Aber viel schlimmer. Die Neuverfilmung mit Jeff Goldblum als „Brundlefliege“ mit ihren wahrlich abscheulich-starken Bildern lädt zum perfekt organisierten Gruppen-Schütteln ein. Zum Weggucken-Wollen. Zum Hingucken-Müssen. Der Film „(…) bewegt sich in der naturalistischen Darstellung des bestürzenden, ekelhaften Verwandlungsprozesses auf einem schmalen Grat zwischen Abscheu und Faszination.“ (Lexikon des Internationalen Films) Die „geniale Verwandlung voller Tragik und Ekel“ (Cinema) gilt aus rein cineastischer Sicht, etwas krankhaft, aber herrlich schäbig, als absoluter „Leckerbissen“. (Lexikon des Internationalen Films) Appetitlich hin oder her, es seufzt James Berardinelli (Reel Views): „Ich wünschte, dass heutige Horrorfilme Die Fliege als Vorlage nehmen würden.“
Orientiert sich die Erstverfilmung von 1958 mit kleinen Abweichungen noch recht stark an der literarischen Vorlage, schleichen sich Schreck und Resultat 1986 erst einmal geduldig an, geben dann frech Tempo, und Schritt für Schritt wird’s fieser. Richtig fies. Wie der Wissenschaftler, – im Film Seth Brungle (grandios: Goldblum) -, alles anfangs noch relativ locker sieht und sich über seine neugewonnene Manneskraft freut, dann immer abartiger mutiert (Oscar für das Make-Up!), – Zähne, Ohren, Geschlechtsteil fallen ab, Borsten wachsen aus ihm heraus, er spuckt zersetzende Verdauungsflüssigkeit auf das Essen, um es schlürfen zu können, später auch auf den Arm und das Bein des Freundes seiner Verlobten, wahrlich ein unschöner Anblick -, und sich bei diesem Prozess immer mehr psychisch verändert…das ist verdammt gut gelungen. Die Verschmelzung der DNS zeigt sich keineswegs endgültig und fertig, sie dauert. Man guckt dabei zu, das ist unerträglich fabelhaft.
In der ersten Film-Version wie auch in der Kurzgeschichte hat der Erfinder des Teleportationsgerätes nach seinem Experiment (nur! Aber sofort!) einen vollständigen Fliegenkopf, und der rechte Arm ist ein Fliegenbein. Bei der Stubenfliege ist es umgekehrt, und wie die dann zum Schluss mit diesem schneeweißen Männlein-Köpfchen im Spinnennetz um Hilfe schreit, nein, piepst….das bleibt haften. Mental ist der schon im Irgendwo. Wie auch der Erfinder mit diesem monströsen Alptraum-Schädel. Gedanklich ist er zwar anfangs noch der Alte, weiß aber, dass das nur eine knappe Frage der Zeit bleibt. Er schreibt an seine Frau:
„Ich bin am Leben, aber ich bin kein Mensch mehr. Meine geistigen Fähigkeiten können von einem Augenblick zum andern verschwinden. Sie haben übrigens schon stark nachgelassen.“

Die damalige Buchvorstellung von Die Fliege und andere Erzählungen im Stern (1963), – das Cover zur Ausgabe zierte Adenauer -, hätte durchaus etwas charmanter ausfallen können, aber zu viel Enthusiasmus macht letztendlich auch misstrauisch. Und: Als Stets verblüffend zu gelten ist ja schon mal was.
„Nach Horrorfilm-Muster sind auch die zwölf anderen Erzählungen des französischen Autors gebastelt. Unter Vermeidung logischer und literarischer Umwege und Ansprüche steuert Langelaan seine stets verblüffenden, seltener geschmackvollen Pointen an; er erfindet zigarettenrauchende Teufel, schreibende Hunde und gedankenlesende Tiger. Cagliostro feiert als Roboterlenker Auferstehung, und ebenso ergeht es einigen Opfern der Atombombe von Nagasaki – sie wurden so schnell atomisiert, dass ihnen zum Sterben keine Zeit blieb.“
„Nach Horrorfilm-Muster sind auch die zwölf anderen Erzählungen des französischen Autors gebastelt. Unter Vermeidung logischer und literarischer Umwege und Ansprüche steuert Langelaan seine stets verblüffenden, seltener geschmackvollen Pointen an; er erfindet zigarettenrauchende Teufel, schreibende Hunde und gedankenlesende Tiger. Cagliostro feiert als Roboterlenker Auferstehung, und ebenso ergeht es einigen Opfern der Atombombe von Nagasaki – sie wurden so schnell atomisiert, dass ihnen zum Sterben keine Zeit blieb.“
…unter Vermeidung logischer und literarischer Umwege und Ansprüche!
Auch wenn das ein Geheimrezept ist, gehört es doch wohl offiziell ins Horror-Kochbuch. Verbleibt die bescheidene Frage, ob so was im eigenen Ofen nicht anbrennt. Verbrennt? Ausprobieren!
Auch wenn das ein Geheimrezept ist, gehört es doch wohl offiziell ins Horror-Kochbuch. Verbleibt die bescheidene Frage, ob so was im eigenen Ofen nicht anbrennt. Verbrennt? Ausprobieren!
copyright by Karin Reddemann
erschienen unter www.phantastikon.de
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